Scheinselbständigkeit

Die sog. Scheinselbständigkeit ist das Auftreten als Selbständiger, obwohl die Person nach der Art der Tätigkeit als abhängig beschäftigt im Sinne der Sozialversicherung anzusehen ist. Im Falle der Scheinselbständigkeit, wenn also eine Person abhängig beschäftigt ist, sind Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Wann liegt konkret eine Scheinselbständigkeit vor?

Für die Abgrenzung der tatsächlichen Selbständigkeit von der abhängigen Beschäftigung kommt es auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit an, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete zum Auftraggeber befindet.

Ist der Dienstleister in den Betrieb eingegliedert und unterliegt dieser hierbei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers, kann von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden.

Für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit spricht demgegenüber das Vorliegen des eigenen Unternehmerrisikos, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit sowie Arbeitszeit.

Speziell durch die in der Pandemie verstärkte Digitalisierung in Unternehmen, besteht vermehrt die Möglichkeit, Tätigkeiten auf Freelancer und externe Dienstleister auszulagern. Dies erhöht jedoch auch erheblich das Risiko von Fällen der Scheinselbständigkeit.

Indizien für das Vorliegen einer Scheinselbständigkeit

Die folgenden Indizien können für eine Scheinselbständigkeit sprechen. Bei der Beurteilung, ob tatsächlich eine Scheinselbständigkeit vorliegt, kommt es jedoch auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles an.

  • Der Auftraggeber bestimmt, wann und wo die Person arbeitet
  • Der Auftraggeber (oder ein vergleichbarer Auftraggeber) lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer ausüben
  • Der Dienstleister hat keine eigenen Kunden und arbeitet immer wieder und auf Dauer angelegt für den gleichen Auftraggeber
  • Der Dienstleister hat keine eigenen Geschäftsräume und arbeitet im Büro des Auftraggebers oder in durch den Auftraggeber bestimmten Räumen
  • Der Dienstleister ist auf eine bestimmte Art von Arbeit festgelegt und hat keine Möglichkeit, andere Aufträge anzunehmen
  • Der Dienstleister beschäftigt nicht regelmäßig weitere Mitarbeiter, deren monatliches Einkommen 520 Euro übersteigt.
  • Der Dienstleister hat keine eigenen Visitenkarten oder keine eigene Homepage
  • Der Dienstleister ist nicht befugt, die Arbeitsleistungen auf andere zu delegieren
  • Der Dienstleister unterliegt umfangreichen Berichtspflichten
  • Der Dienstleister unterliegt einem Wettbewerbsverbot bzw. es besteht eine Ausschließlichkeitsklausel

Nicht der formale Vertrag entscheidet über Selbständig- oder Scheinselbständigkeit, sondern die gelebte Praxis im tatsächlichen Arbeitsablauf.

Mögliche Folgen der Scheinselbständigkeit

1)  Sozialversicherung

Beschäftigte unterliegen grundsätzlich der Gesamtsozialversicherungspflicht, sprich der gesetzlichen Kranken, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung sowie der Unfallversicherung. Ist ein Dienstleister als abhängig beschäftigt zu betrachten – also ein Scheinselbständiger – so unterliegt dieser der Sozialversicherungspflicht. Der Ausschluss der Scheinselbständigkeit ist insbesondere für den Auftraggeber wichtig, da dieser Beitragsschuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist! Allerdings drohen auch dem Scheinselbständigen selbst erhebliche Konsequenzen. Problemtisch ist dies insbesondere dann, wenn die Scheinselbständigkeit im Nachhinein, also bspw. im Rahmen einer Betriebsprüfung, festgestellt wird. In diesem Fall können vom Arbeitgeber als Beitragsschuldner rückwirkend sämtliche Sozialversicherungsbeiträge – und zwar Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil – nachgefordert werden. Hinzu kommen entsprechende Säumniszuschläge.

2) Lohnsteuer

Neben den sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen kann es beim Vorliegen der Scheinselbständigkeit auch zu lohnsteuerlichen Konsequenzen kommen. So muss die nicht entrichtete Lohnsteuer nachgezahlt werden. Hierbei haften beide Seiten – Auftraggeber und Dienstleister – gemeinsam.

3) Sonstiges

  • Erhobene Umsatzsteuer (und somit auch die entsprechende Vorsteuer) sind nicht mehr gültig und muss rückabgewickelt werden.
  • Ist das Handeln der Verantwortlichen als vorsätzlich einzustufen, kommen zu den oben genannten Folgen auch noch mögliche strafrechtliche Konsequenzen.
  • In arbeitsrechtlicher Hinsicht kann es sein, dass der Dienstleister zum Angestellten wird. Dies würde dann nach sich ziehen, dass dieser (rückwirkend) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub hat sowie auch durch den Kündigungsschutz geschützt ist. Der Dienstleister kann diesen Status gerichtlich geltend machen.

Beauftragung von ausländischen Dienstleistern

Insbesondere durch die Corona-Pandemie sowie auch die Grundfreiheiten in der EU werden verstärkt Dienstleister im Ausland beauftragt.

Hierbei ist zu beachten, dass grundsätzlich die oben beschriebenen Konsequenzen bezüglich der Scheinselbständigkeit eintreten können. Die Beurteilung des Sachverhaltes kann jedoch wesentlich komplexer sein, da zu den nationalen auch die ausländischen Vorschriften hinzukommen. Weiterhin sind auch die Konsequenzen nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland zu beachten. Es ist deshalb dringend anzuraten, diese Fälle in Abstimmung mit einem deutschen und ausländischen Steuerberater vor einer Beauftragung des Dienstleisters zu analysieren und Strategien zur Risikovermeidung aufzuzeigen.

Weiterhin ist zu beachten, dass in Auslandssachverhalten zusätzlich zu den oben beschriebenen Konsequenzen auch noch das Begründen eine ausländische Betriebsstätte des Auftraggebers durch den Dienstleister vorliegen kann, was empfindliche steuerliche und strafrechtliche Konsequenzen für den Auftraggeber nach sich ziehen kann.

Beschäftigen Sie Dienstleister oder beabsichtigen Sie, Dienstleister zu beschäftigen?

Gerne beraten wir Sie hierzu und helfen Ihnen proaktiv, das Risiko der Scheinselbständigkeit zu vermeiden.

Im Falle der Beauftragung von Dienstleistern im Ausland stehen uns auch über unser Netzwerk kompetente Berater im Ausland zur Verfügung, mit welchen wir gemeinsam eine Beurteilung des Sachverhalts vornehmen und Möglichkeiten zur Risikovermeidung aufzeigen können.

Sprechen Sie uns gerne an!

Weitere Informationen im Video:
https://www.schlecht-partner.de/mandantenvideos/scheinselbststaendigkeit/

* Die aufgeführten Inhalte spiegeln den jeweiligen Rechtsstand wider. Es handelt sich hierbei um keine aktive Beratung. Die Dokumente sollen Ihnen als Informationen dienen. Wir empfehlen Ihnen jedoch dringend vor einer Umsetzung einen Steuerberater zu konsultieren. Gerne stehen wir Ihnen hierfür auch gerne zur Verfügung.

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